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Jüdische Geschichte

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde

In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts der Familie von Gemmingen-Hornberg gehörenden Neckarzimmern bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Erstmals werden 1534 Juden am Orten genannt.

1703 werden acht jüdische Haushaltungen gezählt.

Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1832 mit 74 Personen erreicht.

An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde gemeinsam mit Hochhausen ein Lehrer angestellt (siehe Ausschreibung unten von 1894). Seit 1827 gehörte die Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Mosbach. Die Familien lebten hauptsächlich vom Viehhandel.

Bis nach 1933 gehörte jüdischen Familien auch ein Gemischtwaren- und ein Manufakturwarengeschäft.

1933 wurden noch 29 jüdische Einwohner in Neckarzimmern gezählt.

Von den in Neckarzimmern geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bertha Alexander geb. Oppenheimer (1892), Alfred Bauer (1905), Emma Bauer geb. Rosenstein (1870), Ida Bauer (1910), Karoline Bauer (1868), Frieda Falkenstein (1895), Gertrud (Gida) Falkenstein (1896), Abraham Oppenheimer (1890), Elisa Oppenheimer geb. Hirschfeld (1893), Jakob Oppenheimer (1925), Max Oppenheimer (1926), Gide (Gida) Pinner geb. Schlössinger (1877), Hans Pinner (1886), Fanny Rau (1869), David Schlössinger (1881), Moses Schlössinger (1890), Regine Schlössinger geb. Bauer (1864).

Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1893

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1893: "Lehrer-Vakanz. Die vereinigte Religionslehrer-Stelle Hochhausen - Neckarzimmern soll sofort durch einen ledigen Religionslehrer, Vorbeter und Schächter besetzt werden. Einkommen: Mark 600 mit ungefähr Mark 150 Nebenverdienst. Geeignete Bewerber wollen sich unter Vorlage von Zeugnisabschrieben bei dem Unterzeichneten melden.
Mosbach, den 3. Dezember 1893. Dr. Löwenstein, Bezirksrabbiner."

Die jüdische Gemeinde in Neckarzimmern erhält Unterstützung zur Haltung eines Religionslehrers (1859)

Zur Geschichte des Betsaales /der Synagoge

Ein Betsaal (Synagoge) war bereits im 18. Jahrhundert in einem von der Grundherrschaft gemieteten Haus untergebracht. Dieses befand sich "beim sogenannten Schmidsbrunnen, neben Ludwig Seeber und Philipp Muttert". 1823 kaufte die jüdische Gemeinde das Haus von der Grundherrschaft zum Betrag von 825 Gulden. Dies war für die Gemeinde ein recht hoher Betrag, da damals die Juden im Ort nach Auskunft des Bürgermeisters durchweg "arme und unbemittelte Familien" waren. Mit Hilfe einer bei Nachbargemeinden 1824 durchgeführten Kollekte konnte das Synagogengebäude im Jahr darauf umgebaut und renoviert werden. 1826 wurde mit einem Kostenaufwand von 239 Gulden ein Ritualbad eingebaut. Letzteres musste bereits 1839/40 erneuert werden. Um einen sehr soliden Bau kann es sich nicht gehandelt haben, da 1863 das Synagogengebäude "in einem solch schlechten Zustand (war), dass ein Zusammensturz zu befürchten" war. Man scheint es damals nur notdürftig repariert zu haben, da bereits 1870 ein Vertreter des Bezirksamtes anlässlich einer Ortsbereisung feststellte, dass das Synagogengebäude "sehr baufällig" sei, "jeden Augenblick" drohe der Einsturz. Das Haus gehörte damals je hälftig der israelitischen Gemeinde und der Familie des Maier Bauer (sc. "Maier" = Vorname, "Bauer" = Nachname). Der linke Giebel, der zum Anteil der israelitischen Gemeinde gehörte, war insgesamt abbruchreif, der rechte Giebel nur in seinem oberen Teil. Ende August 1870 kamen auch Bezirksrabbiner Weil Werkmeister Nutzinger aus Mosbach, um sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Auf Grund der Kriegszeiten war im Herbst 1870 nicht mehr an eine Reparatur zu denken, weswegen das Gebäude erst einmal abgestützt und gegen einen Einsturz gesichert wurde.

1871 gab es neue Gutachten über den Zustand des Gebäudes, es wurde deutlich, dass das Gebäude in seinem jetzigen Zustand nicht mehr gerettet werden konnte. Im September 1871 wurde der Gemeinde eine Landeskollekte bei anderen israelitischen Gemeinden zum Neubau einer Synagoge genehmigt, die immerhin 1.220 Gulden erbrachte. Allerdings war es für einen Neubau zu wenig, zumal die Gemeinde aus eigenen Umlagen bislang nur 300 Gulden ansparen konnte. Der Synagogenrat stand vor der Entscheidung, die Synagoge wiederum nur notdürftig zu reparieren oder einen Raum in einem Privathaus zu mieten und als Betsaal umzubauen. Eine neue Situation ergab sich, als Maier Bauer 1872 den Verkauf seiner Haushälfte anbot. Mit Zustimmung einer am 7. September 1872 durchgeführten Gemeindeversammlung kaufte die Gemeinde für 825 Gulden diesen Hausanteil. Damit war der Weg frei für die Durchführung eines ganz neuen Bauplanes. Nach diesem wurde nach Abbruch des alten, zweistockigen Synagogengebäudes auf dessen Grundmauern 1873 eine neues, einstockiges Gebäude erstellt. Auch im Neubau war ein rituelles Bad und zugleich ein Raum für den Religionsunterricht der jüdischen Kinder (gegenüber dem Betsaal) vorhanden.

Bereits einige Zeit vor der Pogromnacht im November 1938 wurde die Synagoge geschlossen und von der sich in Auflösung befindenden jüdischen Gemeinde in Vertretung durch den letzten Vorsteher an die Nachbarfamilie Flad zu einem Preis von 1.500 RM verkauft. Familie Flad begann damit, das Gebäude zu einem Wohnhaus umzubauen. Trotzdem wurde am 10. November 1938 das Gebäude von SS-Leuten und anderen NSDAP-Partei-Mitglieder aufgebrochen, die Inneneinrichtung vollkommen zerstört und das Gebäude angezündet. Es ist großenteils ausgebrannt. Die Einrichtungsgegenstände wurden auf die Straße geworfen, mussten von jüdischen Personen auf einen Wagen geladen werden und wurden durch die SS-Leute und die NSDAP-Partei-Mitglieder verbrannt. Im Synagogengebäude mussten in der Folgezeit auf Grund der schweren Brandschäden zur Sicherung mehrere Eisenträger eingebaut werden. Der Keller wurde betoniert, daher ist vom rituellen Bad nichts mehr vorhanden. Nach Kriegsende wurde das Haus zunächst unter alliierte Vermögenskontrolle gestellt und schließlich von der Jüdischen Vermögensverwaltung unter Forderung einer Nachzahlung wieder an Familie Flad zurückgegeben. Diese konnte den Umbau zu einem bis heute bestehenden Wohnhaus fertig stellen. Äußerlich erinnert – nachdem auch die alten Fenster des Synagogengebäudes nicht mehr erhalten sind - am Gebäude nichts mehr an die Geschichte als ehemalige Synagoge (Standort: Steige 4).

"Situationsplan zum Synagogenbau Neckarzimmer" von 1870. Die Synagoge ist inmitten der Nachbarhäuser eingezeichnet an der "Hauptstraße nach Gundelsheim" (heute Hauptstraße); links zweigt die heutige Straße "Steige" ab. Zwischen ihr und der Synagoge finden sich eine Scheuer und das Wohnhaus von Philipp Fritz; recht oberhalb die Scheuer von Adam Flad. Das Gebäude der Hauptstraße zu ist die frühere Gastwirtschaft "Rose". Der Ausschnitt aus dem Plan zeigt einen geplanten "Neuen Anbau" an der Synagoge (Quelle: GLA Karlsruhe 364/7012)

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Quellen-Nachweis
Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 18. März 2009
http://www.alemannia-judaica.de/neckarzimmern_synagoge.htm